Die Europareise von Chinas Staatschef Xi fällt in eine Zeit der Krisen und wachsenden geopolitischen Spannungen. Bei Beratungen in Paris geht es um Frieden in der Ukraine und faire Handelsbedingungen.
Es geht um Geopolitik, Macht und Märkte, wenn Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping nach fast fünf Jahren auf einer Europareise erneut Frankreich besucht. Nach seiner Ankunft an diesem Sonntagnachmittag stehen am Montag Gespräche mit Präsident Emmanuel Macron und EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen an.
Auf der Agenda im Pariser Élysée-Palast steht zum einen der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine. Hier wollen die Europäer und Frankreich erreichen, dass China zumindest mäßigend auf den Kreml einwirkt. China seinerseits will die Europäer aus dem engen Bund mit den USA lösen. Weiterer Punkt: Die EU pocht auf faire Handelsbedingungen mit China und wehrt sich gegen den Import subventionierter Produkte – gleichzeitig hofft Macron auf neue Handelsverträge mit dem Riesenreich.
Deutschland sitzt nicht mit am Pariser Beratungstisch, anders als bei Xis letztem Frankreich-Besuch 2019. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) war kürzlich selbst in China und besprach sich zudem am Donnerstag vorab mit Macron bei einem privaten Abendessen in Paris. Sollte er da noch zu einer Teilnahme überredet werden? In Berlin verwies man am Freitag auf eine seit Langem geplante Kanzlerreise nach Litauen und Lettland in dieser Woche.
Aus Sicht Pekings geht es darum, die Beziehungen zu Europa zu stärken. Chinesische Staatsmedien zeichneten vor Xis Abreise ein Bild, wonach sich die Europäer insbesondere nach dem Ausbruch des Ukraine-Krieges in die Abhängigkeit Washingtons drängen ließen. Wenn die Europäer an diesem Kurs festhielten, könnten sie «dem Schicksal, ein Vasall der USA zu werden, nicht mehr entkommen», hieß es etwa in der staatlichen «Global Times». Zur selben Vokabel griff der mehr europäische Souveränität predigende Macron jüngst, als er für die Konstruktion eines Europas warb, das nie ein Vasall der USA sei und mit allen Weltregionen reden könne.
Beziehungen in der Abwärtsspirale
Seit Xis letztem Besuch in Europa vor fünf Jahren sind die Beziehungen unübersehbar in eine Abwärtsspirale geraten. Näherten sich Brüssel und Peking vor allem während der Trump-Jahre im Weißen Haus noch an, wurde die Ratifizierung eines Investitionsabkommens Ende 2020 wegen zunehmender geopolitischer Spannungen und Bedenken angesichts von Menschenrechtsverletzungen in China auf Eis gelegt. Seit Beginn des Ukraine-Kriegs sieht sich Peking zudem mit Vorwürfen aus der EU konfrontiert, Russland bei seiner Invasion zu unterstützen.
Auch in Wirtschaftsfragen schlägt Brüssel in letzter Zeit einen schärferen Ton an. So wird an höheren Zöllen auf Elektroautos aus China gearbeitet. Ein Vorhaben, das vor allem von den Franzosen vorangetrieben wird und was Deutschland eher skeptisch sieht. Die EU wirft chinesischen Elektroautoherstellern wie BYD, Geely und SAIC massive staatliche Subventionen vor, die ihnen einen unfairen Vorteil auf dem Weltmarkt verschaffen.
China reagiert auf die Vorwürfe mit Zuckerbrot und Peitsche: Einerseits hat Peking seinerseits eine Antidumpinguntersuchung gegen EU-Weinbrand eingeleitet, von der vor allem französische Unternehmen betroffen sind. Andererseits wird Frankreich mit neuen Kooperationen umworben.
Macron will bei dem Staatsbesuch Chinas Einfluss in globalen Sicherheitsfragen in den Blick nehmen. Als Europäer sei es das Interesse, «zu erreichen, dass China sich für die Stabilität der internationalen Ordnung einsetzt», sagte Macron in einem Interview des Magazins «Economist». Russland als Destabilisator dieser Ordnung, ein ins Chaos stürzender Mittlerer Osten oder ein Iran, der sich möglicherweise mit Atomwaffen ausstatten könnte – all dies sei nicht im Interesse des heutigen Chinas. «Es muss daher mit China gearbeitet werden, um Frieden zu schaffen.»
Eigene Interessen schützen
Bei den Gesprächen mit Xi geht es Macron auch um Wirtschaftsbeziehungen. Er kreidete an, dass Europa mit Blick auf das Verhalten der USA und Chinas beim Handel die Wirklichkeit nicht habe sehen wollen. «Das ist ein enormer Fehler. Wenn man die Nummer Eins, die Nummer Zwei hat, die sich bewusst dazu entscheiden, kritische, für sie essenzielle Sektoren zu subventionieren, die bereit sind, öffentliche Gelder einzusetzen, um Kapazitäten anzuziehen, kann man nicht so tun, als gäbe es das nicht.» China gegenüber brauche man ein respektvolles Verhalten, das aber die eigenen Interessen schütze.
China lobt «eiserne Freundschaft» mit Serbien
China-Kritiker werfen Peking vor, seinen Willen in Brüssel nicht nur durch Verhandlungen auf Augenhöhe, sondern auch durch gezielte Einflussnahme auf kleinere EU-Staaten oder sogar EU-Beitrittskandidaten durchsetzen zu wollen. Im Anschluss an seinen Frankreich-Besuch reist Xi Jinping weiter nach Serbien und Ungarn.
Tatsächlich hat Peking die bevorstehenden Besuche in den beiden osteuropäischen Staaten mit besonders freundlichen Worten unterstrichen. China freue sich darauf, die «eiserne Freundschaft» mit Serbien auszubauen, sagte Lin Jian, ein Sprecher des Pekinger Außenministeriums.
In Ungarn stehe ein «Meilenstein-Besuch» bevor, der den Beziehungen zwischen China und der EU neuen Schwung verleihen werde, sagte Lin, der auch darauf hinwies, dass Ungarn im Juli die EU-Ratspräsidentschaft übernehmen wird. Dies werde beiden Seiten helfen, «ihre Differenzen besser zu überwinden». China investiert seit Jahren stark in Serbien und Ungarn als Teil seiner Initiative «Neue Seidenstraße», die darauf abzielt, die Handelsverbindungen zwischen Asien und Europa zu stärken. (dpa/cw)