Sind Galettes salzige Crepes? Der Ansatz stimmt. Allerdings ist die Mehlsorte eine andere. Profis aus der Bretagne, der Galettes-Region in Frankreich, geben Tipps zu Rezepten und Raffinessen.
Mickaël Paitel ist Purist und schwört auf das denkbar einfachste Rezept: 500 Gramm Buchweizenmehl, 15 Gramm grobkörniges Salz, etwa 400 Milliliter Wasser, das durchaus aus der Leitung kommen darf.
All das rührt er per Hand mit dem Schneebesen durch und mischt mit kräftigen Schlägen extra mehr Luft ein. Fertig ist der Teig für die Galettes, kulinarische Klassiker aus dem Nordwesten Frankreichs.
Damit kann man seine Gäste daheim bei einem Bretagne-Abend überraschen. Nicht fehlen dürfen Butter und vielfältige Zutaten. Aber eins nach dem anderen.
Besonderer Geschmack durch Buchweizenmehl
Galettes könnte man für salzige Crepes halten, denn sie sind ebenso hauchdünn. Das mag im Ansatz stimmen, ist aber falsch, denn die Mehlsorte ist eine andere.
Statt herkömmlichem Weizenmehl wie für Crepes verwendet man Buchweizenmehl, das übrigens glutenfrei ist. «Buchweizenmehl gibt einen besonderen Geschmack», sagt Küchenchefin Frédérique Scherlin, die nahe dem Hafen von Trébeurden in der Creperie «Sous le Vent» der Tradition ihrer Großeltern folgt.
«Auch sie betrieben in der Bretagne eine Creperie, von ihnen habe ich meine Rezepte», erzählt die 48-Jährige, die über knapp vier Jahrzehnte Galettes-Erfahrung verfügt: «Die ersten entstanden unter der Aufsicht meiner Oma, als ich neun Jahre alt war.»
Einst ein Arme-Leute-Essen
«Galettes waren früher Arme-Leute-Essen, man bereitete sie oft im Kaminfeuer zu», blickt Mickaël Paitel in die Vergangenheit der Bretagne. Damit ließen sich viele hungrige Mäuler stopfen. Längst sind Galettes aber in Restaurants salonfähig geworden und machen Chef Paitel ungebrochen Appetit. Bei ihm zu Hause stehen sie im Schnitt dreimal wöchentlich auf dem Speiseplan.
Ansonsten versteht sich der 56-Jährige darauf, sie in der Küstengemeinde Plouescat in der Creperie «À l’Essentiel» wunderbar zuzubereiten. Seine Erfahrung besagt: «Am besten ist es, wenn der Teig sechs Stunden lang ruht.»
Pfanne mit niedrigem Rand
Das Basisrezept von Madame Scherlin sieht etwas anders aus als das von Monsieur Paitel: 500 Gramm Mehl, vier Eier, 40 Milliliter Sonnenblumenöl, zwei Teelöffel Salz, 500 Milliliter Wasser. Sie rührt das Ganze stets mit der Hand um, «damit ich den Kontakt mit der Masse habe». So machten es schon die Großeltern.
Ist der Teig fertig, gibt man mit dem Schöpflöffel eine geringe Menge auf eine heiße Rundplatte, verteilt die Masse rasch mit einem Holzschaber und bräunt sie an. Inklusive einer Wendung dauert das eine Minute, allerhöchstens zwei. Dabei ist vollste Konzentration gefordert. «Wer keine Platte hat, kann auch eine Pfanne nehmen. Die sollte möglichst groß sein und einen niedrigen Rand haben», rät Scherlin.
Glitzern durch Butter
Die fertigen Fladen stapelt man erstmal auf einem Teller. Nun geht es daran, mit was man die Galettes füllt.
Mickaël Paitel demonstriert in seiner Küche, wie man beim herzhaften Sattmacher richtig vorgeht. Er legt einen Fladen zurück auf die heiße Platte (ersatzweise: in die Pfanne) und schlägt in der Mitte ein rohes Ei hinein. Rund um das Ei streut er eine kleine Handvoll Reibekäse aus, legt zwei Scheiben gekochten Schinken sowie angedünstete Zwiebeln dazu und verteilt ein wenig das flüssige Eiweiß.
Dann nimmt er einen Küchenpinsel, bestreicht die frei gebliebenen Stellen mit geschmolzener Butter und klappt den Fladen zu einem Quadrat zusammen – so dass oben einzig das mittlerweile fertige Eigelb dekorativ herausschaut. Auf die Außenschichten kommen neuerliche Pinselbestriche flüssiger Butter. «Das lässt die Galettes schön glitzern», so Paitel und fügt an: «Bei uns Bretonen ist die Butter immer salzig.»
Belegt oder gefüllt
Küchenchefin Scherlin mag es bei diversen Rezepten, Galettes gewissermaßen nur als Bett zu nehmen und sie mit erlesenen Zutaten zu belegen. So wie Jakobsmuscheln, entweder mit purem Meeresaroma oder flambiert in Whisky.
Den Geschmack ihres Profikollegen Paitel trifft das nicht. Er liebt Füllungen und schiebt das Argument dafür gleich hinterher: «Im Innern bleibt alles viel besser warm.» Eine Galette könne man mit fast allem füllen, sagt er und greift für eine Bestellung gerade zu drei Lachsscheiben. Andere Beispiele sind: Gemüse, Raclette- oder Ziegenkäse, Champignons mit Knoblauch und Kräutern.
Geheimrezept und Kultdrink
Bei besonderen Füllungen kommt Pascal Jugan ins Spiel, mit dem sich Paitel in der Küche der Creperie «À l’Essentiel» abwechselt. Jugan verrät sein Geheimrezept für eine Galette, die er «Pourleth» getauft hat. Dafür kocht er «wie ein Ragout» 30 bis 45 Minuten ein halbes Kilo zerkleinerte Hühnerbrustteile und 100 Gramm Chorizo (spanische Paprika-Knoblauchwurst).
Zusätzlich Würze geben Knoblauch, Petersilie, Schnittlauch, eine größere Prise Pfeffer (er nimmt Madagaskar-Pfeffer und eine Eigenmischung Piment), Zitrone. Separat dünstet er ein halbes Kilo Champignons mit einem Schuss Weißwein. Am Ende landet alles – samt 160 Millilitern Creme fraiche – in einem einzigen Topf. Eine Viertelstunde durchziehen lassen auf schwacher Hitze, fertig ist das schmackhafte Füllmaterial.
Jetzt fehlt nur noch eins zum Essen – die ideale Begleitung. «Natürlich ein Cidre», sagt Mickaël Paitel. Der moussierende Apfelwein ist der Kultdrink in der Bretagne. (dpa/tmn)