Das geistliche Oberhaupt der anglikanischen Kirche, der Erzbischof von Canterbury, tritt nach großem öffentlichen Druck wegen seiner Rolle in einem Missbrauchsskandal zurück. Justin Welby wird vorgeworfen, dass er den jahrzehntelangen Missbrauch von mehr als 100 Jungen und jungen Männern durch einen Anwalt der Kirche nicht öffentlich gemacht hat. Ranghohe Kirchenvertreter hatten Welbys Rücktritt gefordert.
Aufgabe des obersten Geistlichen der Church of England ist unter anderem die Krönung des britischen Monarchen. Der König ist seinerseits der Souverän der anglikanischen Kirche. Er hat zudem einen Platz in der zweiten Parlamentskammer, dem House of Lords.
Tausende unterzeichnen Petition
Der 68-Jährige räumte Fehleinschätzungen ein. «Es ist völlig klar, dass ich die persönliche und institutionelle Verantwortung für die lange und erneut traumatisierende Zeit zwischen 2013 und 2024 übernehmen muss», schrieb Welby an König Charles. Zuletzt hatten eine Bischöfin sowie ranghohe Kirchenvertreter und Missbrauchsopfer ihn aufgefordert, sein Amt niederzulegen. Tausende unterzeichneten eine entsprechende Petition.
«Ich hoffe, diese Entscheidung macht deutlich, wie ernst die Church of England die Notwendigkeit einer Veränderung und unser tiefes Engagement für eine sicherere Kirche nimmt», sagte Welby. «Ich trete von meinem Amt zurück, in tiefer Trauer mit allen Opfern und Überlebenden von Missbrauch.»
Ein vor ein paar Tagen veröffentlichter unabhängiger Untersuchungsbericht war zu dem Schluss gekommen, dass Welby den Missbrauchsfall hätte melden können und müssen, als er 2013 kurz nach seiner Amtsübernahme die Details erfuhr. Demnach lud der Kirchenanwalt, der 2018 starb und nie vor Gericht stand, Jungen, die er in christlichen Sommerlagern kennengelernt hatte, in sein Haus ein und verabreichte ihnen Tausende Stockschläge.
Die Vorwürfe wurden erst 2013 der Polizei gemeldet, der Fall 2017 durch eine TV-Dokumentation bekannt. Dem Mann wurde laut Untersuchungsbericht nahegelegt, das Land zu verlassen, und er zog ins südafrikanische Simbabwe, ohne dass dies der Polizei mitgeteilt wurde. (dpa/cw)