Geplantes Pandemieabkommen: Was es regelt und wo es hakt

Umstritten ist, ob und wie die Pharmaindustrie verpflichtet werden soll, Patente freizugeben und Know-how zur Herstellung von Impfstoff und Medikamenten mit anderen zu teilen.
Umstritten ist, ob und wie die Pharmaindustrie verpflichtet werden soll, Patente freizugeben und Know-how zur Herstellung von Impfstoff und Medikamenten mit anderen zu teilen. Foto: Daniel Karmann/dpa
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Lockdowns, knappe Impfstoffe und zusammengebrochene Lieferketten – mit einem Pandemieabkommen will die Weltgemeinschaft Fehler aus der Corona-Pandemie künftig vermeiden. Doch die Verhandlungen sind schwierig.

Die Corona-Pandemie hat das Leben der Menschen weltweit auf den Kopf gestellt. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und deren 194 Mitgliedsländer wollen mit einem neuen internationalen Abkommen bei möglichen zukünftigen Pandemien besser gewappnet sein. Die Verhandlungen am Montag in Genf gelten als letzter Versuch für eine Einigung. Worum es bei dem geplanten Pandemie-Abkommen geht.

Was soll das Abkommen genau regeln?

Die Forderungen waren umfangreich: Dass mehr Impfstoffe für die Verteilung in armen Ländern reserviert werden. Dass die Produktion von Impfstoffen ungeachtet von Patentregeln weltweit schnellstens angekurbelt werden kann. Dass Pharmafirmen bei staatlicher Forschungsunterstützung einen Teil ihrer Produktion günstig abgeben. Dass ein globales Lieferketten- und Logistiknetzwerk sicherstellt, dass jedes Land bekommt, was es braucht. Dass Verträge über Material und Impfstoffe offengelegt werden, damit nicht der höchste Bieter das meiste bekommt, und vieles mehr.

Welche Probleme gab es während der Corona-Pandemie?

Während der Corona-Pandemie wurden weltweit Fehler gemacht. China etwa hat spät über das Virus informiert, manche Länder haben im Alleingang Reisebeschränkungen und Eindämmungsmaßnahmen beschlossen. Lieferketten brachen zusammen, Regierungen machten sich Maskenpakete streitig. Auch die Bundesregierung verhängte für zwei Wochen einen Exportstopp für Schutzausrüstung. Als es endlich Impfstoff gab, rissen sich reiche Länder den Großteil unter den Nagel. Während vielerorts schon die zweite oder dritte Schutzimpfung verabreicht wurde, warteten ärmere Länder noch auf die erste Lieferung. Auch Indien, wo viel Impfstoff zum Export produziert wurde, erließ wegen eigener hoher Infektionszahlen plötzlich einen Exportstopp. Das alles soll sich nicht wiederholen, das war die Ursprungsidee für das Abkommen.

Wie laufen die Verhandlungen?

Zäh. Ende März waren die Fronten völlig verhärtet. Deshalb liegt jetzt ein neuer Entwurf auf dem Tisch, der um ein Drittel auf 23 Seiten gekürzt wurde. Besonders umstrittene Details sollen nun erst im Laufe des Jahres geklärt werden. Organisationen und manche Länder protestieren, weil für sie wichtige Bestimmungen unter den Tisch gefallen sind. «Es wird schwierig», sagte ein Verhandler in Genf. «Pessimismus ist eine Verhandlungstaktik, die sich die Welt echt nicht leisten kann», sagte Michelle Childs von der Organisation Drugs for Neglected Diseases Initiative, die sich für Chancengleichheit für ärmere Länder einsetzt. Das Abkommen soll bei der WHO-Jahrestagung Ende Mai/Anfang Juni in Genf verabschiedet werden.

Wo hakt es?

Umstritten ist, ob und wie die Pharmaindustrie verpflichtet werden soll, Patente freizugeben und Know-how zur Herstellung von Impfstoff und Medikamenten mit anderen zu teilen. Der Pharmaverband IFPMA will nur freiwillige Vereinbarungen. Ärmere Länder wollen sich nicht zu Pandemie-Vorsorge mit Investitionen verpflichten, wenn nicht klar ist, wie sie finanziell unterstützt werden. Umstritten ist, wie viel Diagnostika, Medikamente und Impfstoffe gratis oder günstig zur Verteilung in armen Ländern abgegeben werden sollen. Weil China internationalen Experten auf der Suche nach dem Ursprung des Virus monatelang die Einreise verweigerte, wollten manche eine Regelung, die so etwas künftig verhindert.

Übernimmt die WHO mit dem Abkommen dann die Weltregie bei Pandemien?

Das Abkommen tritt nur in den Ländern in Kraft, deren Parlamente es ratifizieren. Regierungen würden damit zwar Verpflichtungen eingehen, aber es gibt keine Sanktionen. Wahrscheinlich müssen Länder sich nur gegenseitig regelmäßig Bericht erstatten, was auf diese Weise Druck aufbauen soll. Explizit steht im jüngsten Entwurf, das nichts in dem Abkommen so interpretiert werden dürfe, dass die WHO die Macht erhält, Ländern Lockdowns, Impfungen oder Reisebeschränkungen vorzuschreiben. Das Bundesgesundheitsministerium schrieb auf eine kritische Petition im September 2023 hin: «Durch den Pandemie-Vertrag der WHO werden weder die Grundrechte noch die Menschenrechte eingeschränkt.»

Geht es bei dem Abkommen vor allem um Gerechtigkeit für ärmere Länder?

Nein, es hat Nutzen für die Menschen weltweit. Wenn eine Pandemie in allen Ländern besser gemanagt wird, kann sich ein Virus im besten Fall gar nicht so stark ausbreiten. Dann wären nicht so drastische Einschränkungen nötig wie in der Corona-Pandemie. Zudem soll die WHO ein Lieferketten-Netzwerk aufbauen, damit im Pandemiefall alle Länder das Material schnell bekommen, das sie brauchen, und nirgends Schutzausrüstung oder anderes Material knapp wird. (dpa/wr)  

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