Es geht so schnell, dass man kaum noch hinterherkommt: Trump hat das Weiße Haus abreißen lassen. Zumindest einen Teil davon. Noch vor Kurzem hätte ich das für einen Scherz gehalten. Ist aber keiner. Vieles, was heute geschieht, galt vor Kurzem noch als nonkonform. Dass man kaum mehr über Diversität, Gleichberechtigung oder Inklusion spricht, sondern über „knallharte Themen“. Für wen eigentlich „knallhart“?
Ein bisschen fühlt sich das an wie bei Orwell. Man hat die Fahnen ausgetauscht. Was eben noch als Tabubruch galt, gilt jetzt als normal. Wenn das also das „neue Normal“ ist – warum wundert sich kaum jemand? Wo sind die DEI-Abteilungen der Unternehmen hin? Wo sind die, die für New Work, für Frauen, für Minderheitenrechte aufgestanden sind? Ist die Angst vor Shitstorm, Reputationsverlust oder sinkendem Aktienkurs so groß, dass man lieber schweigt? Und wenn ja – wohin führt das?
Ich fürchte, ein Teil der DEI-Kommunikation war von Anfang an Haltungs-Theater. Man sprach darüber, weil es schick war, nicht weil man überzeugt war. „Haltung zeigen“ war oft Attitüde, keine Rückgratübung. Eine konformistische Rebellion. Pink als Accessoire. Kein Wunder, dass DEI-Debatten mancherorts in Dogmatismus kippten. Dogmatismus ist keine Haltung. Dogmatismus nervt.
Was also heißt Haltung heute? Genau hinschauen. Beobachten, wie sich Werte verschieben. Spuren lesen – auf LinkedIn, in den Medien, auf den Straßen. Sehen, dass Queerness und Kippa aus dem „Stadtbild“ verschwinden. Merken, dass auf der Agora der Frankfurter Buchmesse kein Lesezelt für gesellschaftliche Debatten stand, sondern ein aufgeblasener Asterix und eine Rakete. Und dann, wenn das Momentum da ist: Einspruch. Nachfragen. „Was hast du gerade gesagt?“ „Meinst du das wirklich?“
Natürlich ist es einfacher, die Fahne in den Wind zu hängen. Und profitabler, gerade in der PR. Aber wollen wir wirklich in einer Gesellschaft leben, in der der Abriss von Gerechtigkeit, Respekt und Dialog das neue Normal ist? Vor diesem Hintergrund wirken die neuen Nonkonformisten fast konservativ. Und das ist kein Rückschritt – das ist nötig.
„Nonkonformisten können die Allgemeinheit vor Fehlern bewahren“, sagt der Philosoph Dieter Thomä. „Man darf sich den Stachel im Fleisch der Gesellschaft als Akupunkturnadel vorstellen: Er hat heilende Wirkung.“ Hoffentlich sage ich.
An dieser Stelle ein Shoutout an die Ex-Bahn-Vorständin Sigrid Nikutta. Sie war in ihrer Sichtbarkeit offenbar nonkonform. Sie hat sich nicht beirren lassen, sie ist selbstbewusst und sichtbar abgetreten – mit dem Verweis auf das, was sie als CEO der DB Cargo bewegt hat. Und mit überwältigender Resonanz auf LinkedIn. Ja, so geht das. Chapeau!
Und ein zweiter Shoutout an Ex-SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert, der überraschend als Kolumnist für den Rolling Stone aufgetaucht ist – und sich dort nicht ganz so äußert, wie man es erwartet hätte. Zum Thema CSU, ausgerechnet.
Diese Art von Mut zur eigenen Haltung wünsche ich mir öfter. Auf LinkedIn, in den Redaktionen, in der Öffentlichkeit.
Wenn wir jetzt keinen Einspruch erheben – wann dann?
Zur Person: Dr. Marie-Christine Frank ist Expertin für strategische Kommunikation, Community-Building und Sichtbarkeit. Als Gründerin der Agentur für strategische Kommunikation und Beratung Drei Brueder hat sie sich darauf spezialisiert, Persönlichkeiten, Initiativen und Unternehmen sichtbar zu machen – mit einem klaren Fokus auf Diversität und gesellschaftlichen Wandel. Mit den Macherinnen, dem größten Kölner Business-Netzwerk für Frauen, hat sie eine Plattform geschaffen, die Frauen branchenübergreifend vernetzt und stärkt. Für ihr Engagement wurde sie 2023 mit der Urkunde für Bürgerschaftliches Engagement der Stadt Köln geehrt. Als Initiatorin des SPKR CLUB, einer Plattform für außergewöhnliche Speaker:innen, arbeitet sie daran, neue Stimmen und Vielfalt auf Bühnen und in die Debatten zu bringen. In ihrer Kolumne für Courage teilt sie ihre besten Tipps für mehr Sichtbarkeit und Impact – because visibility matters.


