Bemühungen um eine Waffenruhe im Gaza-Krieg und eine Freilassung der israelischen Geiseln in der Gewalt der islamistischen Hamas sind nach Angaben von Katar ins Stocken geraten. Zwar dementierte das Außenministerium des Golfemirats Medienberichte über ein Ende seiner Vermittlerrolle in den indirekten Verhandlungen zwischen den Konfliktparteien. Katar habe diese aber vor zehn Tagen informiert, dass das Land seine Vermittlerrolle aussetzen werde, falls es in dieser Runde keine Einigung gebe, erklärte der Sprecher des katarischen Außenministeriums, Madschid Al-Ansari. Grundsätzlich sei Katar weiter bereit, seinen Beitrag zu einer Einigung zu leisten.
«Katar wird diese Bemühungen mit seinen Partnern fortsetzen, wenn die Parteien den Willen und Ernst dabei zeigen, den brutalen Krieg zu beenden», erklärte er. Es blieb dabei zunächst unklar, ob Katars Vermittlungsbemühungen aktuell auf Eis gelegt waren oder ob es noch laufende Gespräche gab.
Die «Times of Israel» und internationale Medien hatten zuvor unter Berufung auf diplomatische Quellen berichtet, Doha gebe seine Vermittlerrolle auf angesichts der «Weigerung Israels und der Hamas, mit gutem Willen zu verhandeln».
Seit Beginn des Gaza-Kriegs vor mehr als einem Jahr half Katar zusammen mit den USA und Ägypten dabei, den Austausch von Geiseln aus der Gewalt der Hamas gegen palästinensische Gefangene in israelischen Gefängnissen zu ermöglichen. So kamen im November 2023 bei einer kurzen Waffenruhe mehr als 100 Geiseln aus Gewalt der Hamas frei. Seitdem gab es zahlreiche indirekte Verhandlungen der Kriegsparteien über eine weitere mögliche Waffenruhe, unter anderem in der katarischen Hauptstadt Doha, aber keinen neuen Durchbruch.
Beobachter mutmaßen, Katar drohe mit einem Ausstieg aus seiner Vermittlerrolle, um seine Macht in der Region zu stärken und verschiedene Seiten gegeneinander auszuspielen.
Hamas seit 2012 mit Büro in Doha vertreten
Katar gilt als wichtiger Vermittler dank der Beziehungen zur Hamas, die bis in die 1990er Jahre zurückreichen. 2012 eröffnete die Hamas ein politisches Büro in Katar nach den Unruhen der arabischen Aufstände in der Region. Schon vorher war aus Katar viel Geld an die Hamas geflossen, die 2007 die Macht im Gazastreifen übernahm. Nach dem Terrorangriff der Hamas vom 7. Oktober 2023 auf Israel, der den Gaza-Krieg ausgelöst hatte, wurden Forderungen an die Regierung Katars lauter, das Büro zu schließen. Die EU, die USA und Israel betrachten die islamistische Hamas als Terrororganisation.
Das Außenministerium dementierte nun auch Berichte über eine angeblich angeordnete Schließung des Hamas-Büros in Doha. «Das Hauptziel des Büros in Katar ist, ein Kommunikationskanal zwischen den betroffenen Parteien zu sein», teilte Al-Ansari mit. Dieses habe in vorigen Phasen der Verhandlungen dazu beigetragen, zeitweise eine Waffenruhe im Gaza-Krieg zu erreichen.
Seibert fordert Freilassung der Geiseln im Gazastreifen
Deutschland wird sich nach Worten des deutschen Botschafters in Israel, Steffen Seibert, weiterhin mit aller Kraft für die Freilassung von noch rund 100 israelischen Geiseln in der Gewalt der Hamas im Gazastreifen einsetzen. Für einige israelische Politiker sei das Schicksal der Geiseln nur eines der Ziele, und sicherlich nicht das wichtigste, zitierte ihn die Zeitung «Times of Israel».
Am 400. Tag der brutalen Geiselnahme von 250 Israelis und Angehörigen anderer Nationalitäten bei dem Hamas-Massaker am 7. Oktober 2023 empfinde er tiefe Trauer und Hilflosigkeit, fügte Seibert demnach bei einer Rede in Tel Aviv hinzu. Er sprach auf Hebräisch vor Tausenden Teilnehmern einer Demonstration für die Freilassung der Geiseln.
Es war bereits das zweite Mal, dass der Diplomat bei einer Kundgebung von Angehörigen und Freunden der Geiseln sprach. Er denke jeden Tag an diese verschleppten Männer, Frauen und Kinder in der Hand der Hamas. «Wir fordern ihre Rückkehr», sagte Seibert. Viele der Geiseln dürften jedoch nicht mehr am Leben sein.
Israel setzt Militäreinsätze in Gazastreifen und Libanon fort
Israel hat indes erneut Ziele im Gazastreifen sowie im Libanon angegriffen und dabei nach eigenen Angaben Dutzende «Terroristen» unschädlich gemacht. Unter anderem seien «Terrorinfrastruktur» und Waffenlager zerstört worden, teilte die israelische Armee am frühen Morgen mit.
Die Ziele befanden sich demnach in Dschabalia im nördlichen Gazastreifen sowie im nahe gelegenen Gebiet Beit Lahia. Auch im südlichen Gazastreifen in der Gegend von Rafah hätten israelische Truppen ihre «präzisen, auf Geheimdienstinformationen basierenden Operationen» fortgesetzt.
Die israelische Luftwaffe habe in den vergangenen Tagen zudem Dutzende Kämpfer der schiitischen Hisbollah-Miliz im Libanon angegriffen und eliminiert. Auch hier seien Waffenlager und Abschussrampen das Ziel gewesen.
Tote und Verletzte bei israelischen Angriffen nahe Tyros
Bereits zuvor hatte Israels Luftwaffe mitgeteilt, Einrichtungen der Hisbollah-Miliz in der Nähe der Stadt Tyros im Südlibanon und bei der Stadt Baalbek im Osten des Landes bombardiert zu haben. Bei den Zielen habe es sich um Terroristen, militärisch genutzte Wohnungen und Waffenlager gehandelt. Die Informationen des Militärs ließen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen – und standen im Widerspruch zu den Angaben libanesischer Behörden.
Das Gesundheitsministerium in Beirut teilte mit, bei den israelischen Angriffen im Bezirk Tyros seien acht Menschen getötet worden, darunter sechs Sanitäter. Weitere zwölf Menschen seien verletzt worden. Auch diese Angaben waren nicht unabhängig überprüfbar.
Nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit Sitz in Großbritannien griffen israelische Kampfflugzeuge auch eine Radarstation der syrischen Armee im Süden des Landes an. Es seien heftige Explosionen zu hören gewesen. Die syrische Luftabwehr habe keine Abwehrversuche unternommen. Über mögliche Opfer war zunächst nichts bekannt. (dpa/wr)