Wir kennen das: Man öffnet sein Reisegepäck und zieht Kleidung heraus, die man gebügelt hineingelegt
hatte, der man diesen Zustand aber nicht mehr ansieht. Kofferpacken ist eine Kunst. Wir machen es uns lieber einfach – mit einem tragbaren Kleiderschrank.
von Dieter Meyer
Früher war keineswegs alles besser. Manches aber schon. Zum Beispiel reiste, wer auf sich hielt und wessen Stand es entsprach, mit einem Schrankkoffer. Mitunter auch mit mehreren. Der Vorteil: Alles war ordentlich in Schubladen verstaut oder gar auf Bügel gehängt, nichts knitterte, da Hemden, Pullover, Jacken und Schuhe nicht übereinandergequetscht werden mussten. Okay, die Garderobe war früher anders. Das Prinzip aber bleibt.
Was früher eindeutig besser war: Es gab ausreichend Gesinde, um monströse Schrankkoffer durch die Gegend zu wuchten – rauf auf die Kutsche, rein in den Zug, ab ins Erste-Klasse-Abteil auf der „Titanic“. Heute sind Dienstboten rar geworden, und man muss das in der Regel selbst erledigen. Wir raten daher ab, das aktuelle Angebot des Möbelhauses Kare ernsthaft als Reisegepäck in Erwägung zu ziehen: Das Ding ist aus Holz gebaut, 153 Zentimeter hoch und 80 Kilo schwer. Wir würden es tendenziell dazu nutzen, wozu es gedacht ist – als Kleiderschrankersatz.
Louis Vuitton fertigt seit rund 170 Jahren Schrankkoffer. Seit einiger Zeit sind sie ganz auf Sport ausgerichtet. So wurde gemeinsam mit dem Tennisspieler Carlos Alcaraz, Wimbledon-Sieger 2023, ein „Malle vestiare“ gestaltet, ein anderer mit dem neuseeländischen Rugby-Spieler Dan Carter. Nur der Ordnung halber: Die Dinger kosten gehaft als Reisegepäck sind sie auch nicht gedacht. Zurück also zu Sinn und Zweck des knitterfreien Kleidungstransports. Vor allem Vielreisende kennen das Dilemma: Ein Koffer ist stets zu klein für das, was hineinsoll. Also wird gedrückt und geschoben, heraus kommt es dann vielfach in nicht tragfähigem Zustand.
Ordentlich aus dem Koffer leben
Der Bügelservice im Hotel schafft es leider nicht rechtzeitig. Okay, ein Reisebügeleisen könnte helfen, aber wer mag sich schon derart erniedrigen. Es gibt den alten Backpacker-Trick, die Sachen zu rollen statt zu falten. Oder auch die Methode der Aufräumpäpstin Marie Kondo. Oder spezielle Businesskofferpackanleitungen. Egal. Das Ergebnis ist erfahrungsgemäß mäßig befriedigend.
Es gibt jedoch eine Rettung für all jene, die knitterfrei verreisen möchten: ein Schrankkoffer en miniature. Eine jener Ideen, zu denen man sagt: Da hätte ja auch früher mal einer draufkommen können. Alles ordentlich verstaut in Fächern und Netzen. Je nach Modell aufklappen oder rausziehen – fertig. Dadurch, dass nicht alles übereinandergestapelt ist und sich gegenseitig verknittert, bleiben Falten weitgehend außen vor. Und wem das Auspacken lästig ist, der kann es einfach lassen. So kann man tatsächlich – und ordentlich – aus dem Koffer leben.
Die Koffer (von links nach rechts)
Casyro
Aufklappen und nicht auspacken: Der Casyro Stand-up Koffer ist wie ein kleiner Kleiderschrank nutzbar. Kommt aus der Schweiz und ist in drei Größen verfügbar. Fassungsvermögen 120 l, 80 l oder 45 l als ideale Handgepäck-größe. Ab 259 Euro.
Solgaard
„Check-on Closet“ nennt sich der Hartschalenkoffer von Solgaard mit verschiedenen -Staufächern. Entwickelt wurde der Koffer von reiselustigen jungen Leuten um Gründer Adrian Solgaard. 63 x 37 x 30 cm oder 72 x 44 x 37 cm. Ab 345 Euro.
Pull Up
Es fing an mit einem Brillenkoffer für Vertreter. Das Prinzip hat Pull Up aus Baden-Württemberg zum Reisegepäck weiterentwickelt. Man zieht die Klamotten oben aus dem Koffer (75 × 57 × 36 cm). Das Ganze gibt es auch als Rucksack fürs Wochenende. Ab 890 Euro.