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Nachhaltig investieren: Wasserstoff — Der Stoff, auf dem die Hoffnung ruht

Nachhaltig investieren ETF
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Grüner Wasserstoff ist ein Hoffnungsträger auf dem Weg zur Dekarbonisierung der Weltwirtschaft. An der Börse sind die Kurse von Wasserstoffinvestments deshalb steil angestiegen. Dann folgte die Ernüchterung. Welche Chancen und Risiken die Papiere jetzt bergen.

Von Jessica Schwarzer

„Die Energie von morgen ist Wasser, das durch elektrischen Strom zerlegt worden ist.“ Das Zitat klingt brandaktuell, ist es aber nicht. Im Gegenteil: Es ist mehr als 100 Jahre alt und stammt von Ingenieur Cyrus Smith, einer Romanfigur aus Jules Vernes „Die geheimnisvolle Insel“. Wasserstoff als Energieträger zu nutzen, ist also keine neue Idee. Mit dem Kampf gegen den Klimawandel scheint sie nun aber vor dem Durchbruch zu stehen. Regierungen weltweit verpflichten sich zu einer kohlenstofffreien Zukunft. Wasserstoff als saubere Energiequelle der Zukunft soll Teil der Lösung sein.

Großes Potenzial hat Wasserstoff vor allem in Bereichen, in denen die Elektrifizierung nicht machbar ist, wie in der Schwerindustrie, bei Lastkraftwagen, im Schiffsverkehr und bei der saisonalen Energiespeicherung. Grüner Wasserstoff könnte den Markt für erneuerbare Energien in den kommenden Jahren umwälzen und wesentlich zur Dekarbonisierung von Wirtschaftssektoren beitragen, ist Benjamin Kelly, Senior Analyst bei Columbia Threadneedle Investments, überzeugt. Wann aber ist Wasserstoff „grün“? Nun, hergestellt wird der Stoff mit dem chemischen Zeichen H2 durch die Elektrolyse von Wasser, das dabei in Wasserstoff und Sauerstoff aufgespalten wird. Dafür braucht es eine Menge Energie. Wenn die aus erneuerbaren Quellen wie Wind oder Sonne stammt, dann spricht man von klimaneutralem – grünem – Wasserstoff.

Goldgräberstimmung

Das alles klingt nach einer tollen Investmentstory. Kein Wunder, dass Anlegerinnen und Anleger das Thema für sich entdeckt haben. Seit Jahren fließt viel Geld in nachhaltige Investments. Wasserstoff und die damit verbundenen Technologien erscheinen dabei langfristig interessant. Allerdings sind die Industrie und die zugehörigen Unternehmen in einem sehr frühen Stadium. „Die Goldgräberstimmung an der Börse trifft also noch auf wenige und zumeist unprofitable börsennotierte Unternehmen oder eben auf Industriekonglomerate, die bisher nur einen sehr geringen Anteil ihres Geschäfts mit Wasserstoffaktivitäten erzielen“, gibt Simon Frank, Senior Investment Advisor bei Pictet Asset Management Deutschland, zu bedenken.

Es ist also viel Fantasie im Markt. Langfristig dürften die mit Wasserstoff verbundenen Technologien von hoher Bedeutung für das Gelingen der Energiewende sein. „Allerdings wird es unseres Erachtens noch einige Zeit dauern, bis sich die Gewinner herauskristallisieren“, meint Frank. Der Pictet Clean Energy Fonds, der sich auf die grüne Energiewende konzentriert, investiert bis dato nicht in Wasserstoffunternehmen. Sie erfüllen die Investmentkriterien mit Blick auf Qualität, Profitabilität und Bewertung nicht. Das Fondsmanagement schätzt sie noch als zu spekulativ und risikoreich ein.

Die Betonung liegt auf dem Wörtchen „noch“. Laut Angaben des Hydrogen Council könnte Wasserstoff die globalen Emissionen bis 2050 um sechs Gigatonnen oder 17 Prozent der 2020 weltweit verzeichneten Emissionen verringern. „Wenn Wasserstoff Teil einer kohlenstoffarmen Zukunft sein soll, muss er allerdings sauber produziert werden“, sagt Alastair Bishop, Global Head of Sustainable Core Investing von Blackrock.

Bei grünem Wasserstoff, der mit erneuerbaren Energien produziert wird, ist das der Fall. Wird der Wasserstoff jedoch zum Beispiel aus Erdgas hergestellt, dann muss das dabei entstehende CO2 gespeichert oder industriell weiterverarbeitet werden. Man spricht dann vom „blauen Wasserstoff“. „Beide Methoden treiben die Kosten weiter in die Höhe, sodass die Herstellung von sauberem Wasserstoff heute um ein Vielfaches teurer ist als die des bisherigen kohlenstoffintensiven ‚grauen‘ Wasserstoffs“, sagt Bishop. Weiterer Nachteil: Die Umwandlungsverluste sind sehr hoch, ein großer Teil des eingesetzten Stroms geht ungenutzt verloren.

Rückenwind durch Regulierung

Dennoch: Experten sind überzeugt, dass grüner Wasserstoff in der Industrie alternativlos ist. Auch auf der energiepolitischen Agenda rückt er weit nach oben. Der Rückenwind durch die Regulierung hat stark zugenommen, unter anderem durch den Green Deal der Europäischen Union, der das Ziel verfolgt, eine Strategie für sauberen Wasserstoff zu entwickeln. „Inzwischen haben über 30 Länder wasserstoffspezifische Strategien als Teil ihrer Netto-Null-Ambitionen angekündigt, und die Regierungen haben öffentliche Mittel zur Unterstützung der Entwicklung von Projekten für sauberen Wasserstoff bereitgestellt“, sagt Blackrock-Experte Bishop. 

Apropos Green Deal: Nachdem die Europäische Kommission unter Ursula von der Leyen das Konzept Ende 2019 vorgestellt hatte, kam wahre Goldgräberstimmung auf. Wasserstoff galt plötzlich als die grüne Technologie. Viele Anlegerinnen und Anleger spekulierten auf stark steigende Nachfrage und in der Folge auf Gewinne. Es war ein wahrer Hype, inklusive Kursfeuerwerk, das aber mächtig übertrieben war.

Denn noch sind nicht viele Wasserstoffunternehmen an der Börse notiert, weshalb das Geld in einige wenige Aktien floss, was wiederum deren Kurse stark nach oben pushte. Fundamental war das nicht gerechtfertigt. Eben weil die Unternehmen noch kein Geld verdienen und das Experten zufolge vermutlich auch noch dauern wird. Zu dieser Einsicht kamen dann wohl auch viele Anleger und verkauften ihre Aktien mit Gewinn. So korrigierten die Kurse im Frühjahr 2021 stark. Was im Börsendeutsch so viel heißt wie: Es gab einen heftigen Absturz, von dem sich viele Aktien bis heute nicht erholt haben. Dabei gilt Wasserstoff nach wie vor als Energiequelle der Zukunft.

Totalverlust nicht ausgeschlossen

Ob das eine Einstiegschance ist? Bis die reinen Wasserstoffunternehmen profitabel sind, wird es voraussichtlich noch Jahre dauern. „Somit werden diese Aktien an der Börse mit immer noch großen Hoffnungen auf die zukünftigen Entwicklungen gehandelt“, sagt Pictet-Experte Frank. „Dabei ist noch nicht klar, welche Unternehmen tatsächlich mit ihren Produkten, Dienstleistungen und Technologien Geld verdienen werden.“ Solche Papiere sind deshalb sehr spekulativ, die Kurse schwanken entsprechend stark. Bei einigen ist selbst ein Totalverlust nicht ausgeschlossen.

Am anderen Ende des Wasserstoff Anlagespektrums stehen Industriekonglomerate wie Linde. „Die wachsen zwar profitabel mit ihrem Kerngeschäft, erwirtschaften heute allerdings nur einen sehr kleinen Teil ihres Geschäfts mit Wasserstoffaktivitäten“, gibt Frank zu bedenken. Damit ist das Gewinn, aber auch das Verlustpotenzial geringer.

Auch Will Kirkness, Analyst der Investmentbank Jefferies, mahnt bei Wasserstoffaktien zur Vorsicht. Er geht zwar schon davon aus, dass sich hier ein großer Markt entwickeln werde. Gleichzeitig aber seien die Bewertungen der Aktien „herausfordernd“.

Anlage breit streuen

Gerade weil nicht klar ist, wer sich in dem noch recht neuen Markt durchsetzen wird, sollten Anlegerinnen und Anleger das Risiko möglichst breit streuen und nicht alles auf ein Unternehmen oder eine Technologie setzen. Indexfonds sind Einzelaktien deshalb klar vorzuziehen. Die zwei ETFs von Vaneck und L & G sorgen für eine gute Risikostreuung. Noch breiter aufgestellt ist das Portfolio des iShares-ETFs auf den gesamten Bereich der erneuerbaren Energien.

Unterm Strich können sich breit gestreute Wasserstoffinvestments durchaus lohnen. Mittelfristig sind hohe Gewinne drin, wenn sich der Energieträger durchsetzt. Mehr als eine kleine Beimischung im Depot sollten die risikoreichen Investments aber nicht sein. Denn wer weiß, ob sich die Prophezeiung von Cyrus Smith, dem Ingenieur aus Jules Vernes Werk, wirklich erfüllt.

3 ETFs, die auf Wasserstoff setzen

Jung, aber rein: Vaneck Vectors Hydrogen Economy ETF

Das Van-Eck-Papier ist ein reiner Wasserstoff-ETF (ISIN: IE00BMDH1538) und setzt auf Unternehmen, die „einen entscheidenden Beitrag zum Aufbau der Wasserstoffwirtschaft leisten“. Das Kapital wird weltweit in Firmen angelegt, die mindestens 50 Prozent ihrer Einnahmen mit Wasserstoffprojekten erzielen oder das Potenzial dazu haben. Außerdem investiert er in wichtige Akteure des Wasserstoff-Ökosystems, beispielsweise Hersteller von Gasen oder Brennstoffzellen, Wasserstoffspeichern und Elektrolyseuren. Der Index, der dem ETF zugrunde liegt, wird vierteljährlich überprüft. Neue Wasserstoffaktien werden dann gegebenenfalls aufgenommen. Im Index sind 25 Positionen, die mit Abstand größte ist der Brennstoffzellenhersteller Plug Power, gefolgt vom Wettbewerber Ballard Power Systems sowie den Industriegaseproduzenten Air Products & Chemicals und Linde. Der ETF ist thesaurierend, das bedeutet, die Dividenden werden reinvestiert. Die Gesamtkostenquote (TER) liegt bei 0,55 Prozent pro Jahr. Aufgelegt wurde der Indexfonds erst Ende März 2021.

Das Wasserstoff-Komplettpaket: L & G Hydrogen Economy ETF

Auch der L & G Hydrogen Economy UCITS ETF (ISIN: IE00BMYDM794) ist ein reiner Wasserstoff-ETF und investiert weltweit in Unternehmen, „die einen aktiven Beitrag zur Wasserstoffwirtschaft leisten“. Der zugrunde liegende Index ist der Solactive Hydrogen Economy. Er fasst die Aktien von 32 Unternehmen der gesamten Wertschöpfungskette zusammen – von der Energieeinspeisung über Transport und Speicherung bis zum Energieendverbrauch. Ausgeschlossen sind Unternehmen, die einen erheblichen Teil ihres Umsatzes mit Kohlebergbau erwirtschaften, an der Herstellung umstrittener Waffen beteiligt sind oder die weltweit akzeptierten Standards für Menschenrechte, Arbeit, Umwelt und Korruption verletzen. Zu den zehn größten Positionen gehören Firmen wie der Brennstoffzellenfahrzeugbauer Hyzon Motors sowie die Brennstoffzellenhersteller Plug Power und Powercell. Mit Siemens Energy, Uniper und Linde sind auch drei deutsche Konzerne dabei. Die Gesamtkostenquote des ETFs liegt bei 0,49 Prozent pro Jahr, Dividenden werden reinvestiert. Auch dieser ETF ist noch ziemlich neu. Er wurde im Januar 2021 aufgelegt.

Gewinnen mit Erneuerbaren: iShares Global Clean Energy ETF

Eine breitere Risikostreuung als reine Wasserstoff-ETFs bietet der iShares Global Clean Energy ETF (ISIN: IE00B1XNHC34), der den gleichnamigen Branchenindex S & P Global Clean Energy abbildet. Der Index bietet Zugang zu den größten und liquidesten Unternehmen weltweit, die im Geschäftsfeld erneuerbare Energien tätig sind. Der ETF investiert also nicht nur in die Wasserstoffwirtschaft, sondern deckt alle Bereiche der regenerativen Energien ab. Insgesamt sind 76 Unternehmen im Index gelistet. Größte Positionen sind die Solartechnik-Firma Enphase Energy, der Windkraftanlagenhersteller Vestas Wind Systems sowie die Energiekonzerne Ørsted und Consolidated Edison. Überprüft wird der Index halbjährlich. Ebenfalls halbjährlich schüttet der ETF seine Erträge aus. Die Kosten liegen bei 0,65 Prozent pro Jahr. Aufgelegt wurde das Papier übrigens schon 2007. Seine Rendite- und Risikohistorie ist daher aussagekräftiger als die der anderen zwei ETFs. In den vergangenen fünf Jahren hat der iShares-ETF rund 150 Prozent zugelegt, musste aber nach dem Ende der Wasserstoffrally etwas Federn lassen.

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