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Richtig reagieren, wenn jemand Gewalt androht

Foto: connel_design/AdobeStock
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Unsere Autorin hat erlebt, wie schnell eine harmlos wirkende Situation beim Gassigehen im Park eskalieren kann – bis zur Androhung von Gewalt – und wie hilflos man sich dabei fühlt. Im Gespräch mit Silke Gorges, Trainerin für Gewaltprävention und Zivilcourage, hat sie eine Handlungsstrategie erarbeitet, wie man im Bedrohungsfall richtig reagiert und deeskalierend einwirken kann.

Von Nadine Regel

Abends im Park, unter einer Straßenlampe. Ein Wort führt zum anderen, bis schlussendlich ein Mann neben mir steht und mir Schläge androht. Wow, das kam unvermittelt! Nach weniger als einer Minute erhebt jemand die Hand gegen mich, den ich darum gebeten hatte, seinen bellenden Hund an die Leine zu nehmen. Er könne mir gern ins Gesicht schlagen, wiederholt er mehrere Male. Zum Glück entfernt er sich, als ich einen vorbeilaufenden Jogger um Hilfe bitte. Doch als ich zu Hause ankomme, kann ich meine Tränen nicht zurückhalten. Und die Fragen in meinem Kopf bleiben: Bin ich schuld an der Situation, wie hätte ich deeskalieren können, hätte ich sofort die Polizei rufen sollen, wie kann ich mich das nächste Mal besser selbst schützen? Ich denke, dass viele Frauen ähnliche Erfahrungen machen und auch nicht wissen, wie sie reagieren sollen. Also beschließe ich – für alle anderen und für mich selbst – Rat vom Profi zu holen.

Mit meinen Fragen wende ich mich an Silke Gorges, Trainerin für Gewaltprävention, Persön-lichkeitsstärke und Zivilcourage sowie Vorständin im Bundesnetzwerk für Zivilcourage. Die 55-Jährige hat bereits im Alter von 17 Jahren mit dem Kampfsport Jiu Jitsu begonnen, bald gab sie Selbstverteidigungskurse für Frauen und Mädchen, mittlerweile hat sie den Schwarzen Gürtel (4. Dan). Gorges setzt sich mit ihrer Arbeit für ein respektvolles Miteinander ein, um „die Welt ein bisschen besser zu machen“. Mehr Informationen über sie und ihr Kursangebot finden sich auf ihrer Website starkdurchsleben.de. Im Gespräch erarbeiten wir eine Handlungsstrategie für den Notfall:

1. Menschentyp erkennen

In einer Konfrontationssituation erst prüfen, wer einem da gegenübersteht. Grüßt der Mensch, entschuldigt er sich für ein Fehlverhalten oder ignoriert er die Bedürfnisse des Gegenübers, ist er oder sie vielleicht alkoholisiert, unter Drogen oder in einer emotionalen Ausnahmesituation? In jedem Fall heißt es, genau hinzugucken und seine eigene Reaktion abzuwägen.

2. Ruhig bleiben

Fühlt man sich ungerecht behandelt oder angegriffen, können Gefühle wie Wut, Zorn, Angst und Aufregung in einem aufflammen. Trotz dieser Emotionen empfiehlt Gorges, bei sich zu bleiben, durchzuatmen, sich auf das Wesentliche zu fokussieren, runterzukommen. Diese Art der Selbstkontrolle ist auch in anderen Situationen hilfreich und lässt sich regelmäßig üben.

3. Ablenkungsmanöver

Hat sich schon ein Streitgespräch entsponnen, kann man mit „paradoxer Intervention“ deeskalierend einwirken, sagt Silke Gorges. Das heißt, man sagt oder macht etwas, womit das Gegenüber nicht rechnet. „Sie haben aber schöne Schuhe an, wo haben Sie die denn her?“ Das schafft Zeit, lenkt vom eigentlichen Thema ab und die aufgeheizte Stimmung kann wie-der abkühlen. Aus der Situation gänzlich befreien kann man sich, indem man auf die Uhr schaut und sagt, dass man gleich noch einen Termin habe und weitermüsse.

4. Abstand halten

Immer mindestens eine Armlänge Sicherheitsabstand wahren. Läuft die Person auf einen zu, dann in klaren Botschaften mitteilen, dass sie nicht näherkommen soll. „Lassen sie mich in Ruhe, gehen sie weg, halten sie Abstand!“, aber keine Fragen stellen wie „Können sie jetzt bitte mal gehen oder was wollen sie jetzt noch?“ Nach dem eindeutigen Befehl hinterhersetzen: „Sonst rufe ich die Polizei“. Wichtig: Immer auf Augenhöhe mit dem Gegenüber sein, das heißt, im Bus vom Sitzplatz oder im Büro vom Stuhl aufstehen. Wenn die Person zu nahekommt, dann aufrechte Haltung bewahren und drei, vier Schritte weggehen. Den Blick in verschiedene Richtungen schweifen lassen, und die Umgebung nach Hilfe abscannen. Auch wenn da niemand ist, verunsichert das das Gegenüber.

5. Hilfe organisieren

Befinden sich Menschen in der Nähe, dann diese mit kurzen, klaren Aussagen ansprechen. „Bleiben Sie stehen, ich brauche Hilfe“, „Hey, Sie da mit der roten Jacke, bitte helfen Sie mir“. Je mehr Menschen unterwegs sind, umso weniger fühlt sich der oder die Einzelne für den anderen zuständig. Deswegen gezielt Leute um Hilfe bitten. Gorges empfiehlt, die Notrufnummern 110 (Polizei) und 112 (Rettungsdienst) auf dem Startbildschirm im Telefon einzuspeichern, sodass man die Polizei schnell hinzurufen kann.

6. Und danach?

Wenn es zu einer Konfrontation oder Bedrohungssituation gekommen ist, direkt ein Gedächtnisprotokoll anlegen, „indem man sich selbst eine Sprachnachricht schickt und alles aufspricht, was gerade passiert ist“, erläutert Gorges. Dazu gehört auch eine Täterbeschreibung. Wenn es die Situation erlaubt, kann man mit dem nötigen Sicherheitsabstand auch ein Foto vom Verdächtigen als Beweismittel schießen. Aus Datenschutzgründen sei das aber recht heikel, meint Gorges. Auf Social Media dürfe man solche Bilder jedenfalls nicht verbreiten.

7. Anzeige erstatten

„Eine Anzeige bei der Polizei macht man in erster Linie für sich selbst“, sagt Silke Gorges. Man bleibt handlungsfähig, weil man das gemacht hat, was noch möglich war – obwohl viele Anzeigen gegen Unbekannt ins Leere laufen. Indem die Anzeige aber in der Polizeistatistik aufgeführt wird, eröffnet man der Polizei zumindest Handlungsspielraum. Orte mit gehäuft auftretenden Anzeigen können etwa zum Kriminalitätsschwerpunkt erklärt werden, was in einer höheren Polizeipräsenz und ergo mehr Sicherheit resultieren kann. Ein Weg, um sich selbst und seine Daten als Anzeigende zu schützen, ist eine anonyme Strafanzeige. Das bespricht man direkt bei Aufgabe der Anzeige mit dem oder der Zuständigen.

8. Für den absoluten Notfall

In unübersichtlichen Gefahrensituationen, in denen man zum Beispiel von mehreren Menschen bedroht wird, rät Silke Gorges auch zum Einsatz von Pfefferspray. Grundsätzlich dürfe man dieses in Deutschland nur gegen Tiere wie etwa aggressive Hunde einsetzen. Sei die Bedrohung durch andere Menschen aber so groß, dass man sich nicht allein wehren kann, „darf man einsetzen, was in dem Fall das mildeste Mittel ist“, zum Beispiel Pfefferspray. Dafür muss allerdings eine unmittelbare Gefahr für Leib oder Leben bestehen. Am besten das Pfefferspray der Wahl vorher an einem offenen und menschenleeren Ort ausprobieren, damit man sieht, wie die Sprüheigenschaften der Düse sind. Dann fühlt man sich später sicherer damit, wenn man es tatsächlich einsetzen muss. Aber wirklich nur im absoluten Notfall einsetzen!

Weitere Tipps zur Gewaltprävention:

Heimwegtelefon 030/12074182, wenn man auf dem Nachhauseweg ein mulmiges Gefühl hat und mit jemandem sprechen will (Sonntag bis Donnerstag von 21 bis 24 Uhr, Freitag und Samstag von 21 bis 3 Uhr) https://heimwegtelefon.net

• Frauen-Nacht-Taxi in München: Taxi-Zuschuss von zehn Euro für sichere Heimfahrten im Dunkeln https://stadt.muenchen.de/service/info/landeshauptstadt-muenchen/10313434/

• App „Komm Gut Heim“: teilt den Standort live mit Freunden und Familienmitgliedern teilen, die den Heimweg digital mitverfolgen können; mit Notfall-Button schnell Hilfe holen

• Für unangenehme oder bedrohliche Situationen in einer Bar: mit der Frage „Ist Luisa hier?“ Mitarbeitende über Belästigung informieren und Hilfe erhalten. Die Frage ist ein beim Personal bekannter „Code“, dass Du Dich bedroht oder bedrängt fühlst https://luisa-ist-hier.de

• 110 und 112 im Handy einspeichern

Notfall App Nora auf dem Handy installieren (im Notfall schnell Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienst rufen; sendet automatisch den Standort) https://www.nora-notruf.de/de-as/startseite

• Automatische Notrufnachricht am Smartphone aktivieren

• Schlüssel bereithalten, um schnell in die Wohnung zu kommen (Schlüssel in der Hand kann notfalls auch zur Verteidigung eingesetzt werden)

• Mit Trillerpfeife oder Signalhupe auf sich aufmerksam machen

• Aufmerksam sein: keine Kopfhörer tragen!

• Selbstverteidigungskurs machen

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