Bundeskanzler Olaf Scholz hat gestern angekündigt, die Vertrauensfrage im kommenden Januar stellen zu wollen. Die Infografik von Statista veranschaulicht den Ablauf dieses im Grundgesetz genau festgelegten Verfahrens. Findet ein Antrag des Bundeskanzlers, ihm das Vertrauen auszusprechen, nicht die Zustimmung der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages, so kann der Bundespräsident auf Vorschlag des Bundeskanzlers binnen einundzwanzig Tagen den Bundestag auflösen. Das Recht zur Auflösung erlischt, sobald der Bundestag mit der Mehrheit seiner Mitglieder einen anderen Bundeskanzler wählt. Letzteres Szenario gilt bei politischen Beobachtern allerdings als unwahrscheinlich.
In der Geschichte des Deutschen Bundestages hat bisher fünf Mal ein Bundeskanzler die Vertrauensfrage nach Artikel 68 Grundgesetz gestellt:
1.) 1972 fand der Antrag von Bundeskanzler Willy Brandt (SPD), ihm das Vertrauen auszusprechen, nicht die erforderliche Mehrheit.
2.) 1982 stellte Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) die Vertrauensfrage und erhielt die Zustimmung sämtlicher Abgeordneter der sozialliberalen Regierungskoalition, SPD und FDP-Abgeordneter, und damit am 5. Februar 1982 die Bestätigung für seine Regierung.
3.) Ebenfalls 1982 stellte Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) die Vertrauensfrage, um noch vor Ablauf der Wahlperiode Neuwahlen zum Bundestag zu ermöglichen.
4.) Im November 2001 stellte Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) die Vertrauensfrage. Zum ersten Mal verknüpfte ein Kanzler hier die Vertrauensfrage mit einer ganz konkreten Sachfrage. In diesem Fall mit einem Antrag der Bundesregierung auf Entsendung deutscher Streitkräfte für den von den USA angeführten Kampf gegen den internationalen Terrorismus im Rahmen der Operation „Enduring Freedom“ in Afghanistan. Von 662 Abgeordneten hatten 336 mit „Ja“ gestimmt (zwei Stimmen mehr als die erforderliche absolute Mehrheit), 326 mit „Nein“.
5.) Am 1. Juli 2005 stellte Bundeskanzler Schröder erneut die Vertrauensfrage, diesmal – wie 1982 Bundeskanzler Kohl – mit dem Willen, Neuwahlen zum Bundestag herbeizuführen. Die Vertrauensfrage 2005 mündete in die anschließende Auflösung des Bundestages.