Der Spionagefall aus Bayern hat ein diplomatisches Nachspiel. Der Behauptung der russischen Botschaft, in Deutschland herrsche ein russenfeindliches Klima, tritt das Auswärtige Amt vehement entgegen.
Die Bundesregierung hat Darstellungen der russischen Botschaft zu dem Spionagefall aus Bayern scharf kritisiert. Diese Äußerungen – auch in sozialen Medien – seien falsch, die Androhung von Konsequenzen weise man in aller Deutlichkeit zurück, sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes in Berlin.
Im Raum Bayreuth waren diese Woche zwei deutsch-russische Staatsbürger festgenommen worden, die für Moskau Ziele für mögliche Sabotageakte in Deutschland ausgekundschaftet haben sollen. Ziel war es nach Einschätzung des Generalbundesanwalts insbesondere, «die aus Deutschland der Ukraine gegen den russischen Angriffskrieg geleistete militärische Unterstützung zu unterminieren».
Außenministerin Annalena Baerbock ließ deswegen gestern den russischen Botschafter einbestellen. Dem Botschafter sei deutlich gesagt worden, dass solche Aktivitäten zu unterlassen seien, sagte der Sprecher.
Die russische Botschaft kritisierte die Einbestellung von Botschafter Sergej Netschajew scharf. In einer öffentlichen Stellungnahme hieß es, diese sei «eine unverhohlene Provokation», die darauf abziele, «das Niveau der Russenfeindlichkeit in die Höhe zu treiben». Die Botschaft schrieb weiter: «Wir haben deutlich gemacht, dass jegliche unfreundliche Handlungen gegenüber Russland nicht ohne Konsequenzen bleiben werden.»
Verstärkt Falschnachrichten seit Kriegsbeginn
Die deutschen Sicherheitsbehörden nehmen seit dem Beginn des Krieges in der Ukraine im Februar 2022 eine verstärkte Verbreitung von Falschnachrichten über angebliche Übergriffe auf Russen und Russlanddeutsche wahr. Beispielsweise kursierte im Frühjahr 2022 in sozialen Netzwerken die Behauptung, Geflüchtete aus der Ukraine hätten einen russischsprachigen Jugendlichen in Euskirchen in Nordrhein-Westfalen totgeprügelt. Die Polizei ging damals von einer bewussten Veröffentlichung von Fake News aus, mit der Hass geschürt werden solle.
Als Sachwalter der Interessen der Russlanddeutschen, die früher mehrheitlich CDU und CSU die Treue hielten, stellt sich seit einigen Jahren die AfD dar. So verbreitet etwa der von AfD-Politikern gegründete Verein Vadar das Narrativ, Russlanddeutsche und russischsprachige Menschen würden in Deutschland diskriminiert. Stellvertretender Vorsitzender des Vereins ist der Bundestagsabgeordnete Eugen Schmidt. Vorsitzender ist der ehemalige Bundestagsabgeordnete Ulrich Oehme, der 2018 als «Wahlbeobachter» auf die von Russland annektierte Halbinsel Krim gereist war.
Einer der beiden Verdächtigen, der 39-jährige Dieter S., teilte in sozialen Medien Beiträge der AfD. Mitglied der Partei ist er nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur nicht.
Als Reaktion auf den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine am 24. Februar 2022 hatten europäische Staaten kurz nach Kriegsbeginn mutmaßliche russische Agenten ausgewiesen. Die Bundesregierung erklärte Anfang April 40 Angehörige der russischen Botschaft in Berlin zu unerwünschten Personen.
Zunahme von Cyberangriffen möglich
In einem dpa-Interview sagte der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, im Dezember 2022: «Wir unternehmen große Anstrengungen, um zu verhindern, dass weitere Personen, die möglicherweise russischen Diensten zuzurechnen sind, hier nach Deutschland kommen.» Die Bundesregierung habe dafür auch die Visaregeln verschärft. Ebenfalls zu erwarten sei eine massive Zunahme russischer Cyberangriffe sowie sogenannter Einflussnahmeoperationen.
Darunter versteht man etwa Desinformationskampagnen sowie andere Methoden, die darauf abzielen, die öffentliche Meinung, den Ausgang von Wahlen oder politische Entscheidungen im Zielland zu beeinflussen. Haldenwang sagte damals, er erwarte, dass Moskau versuchen werden, die Aufklärungsmöglichkeiten, die durch die Ausweisung von 40 Agenten verloren gegangen seien, zu kompensieren: entweder durch mehr «reisende Agenten» oder durch andere Tarnungen. (dpa/cw)