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Überregulierung hemmt Innovationskraft

Acatis-Fondsmanager Hendrik Leber, ©Acatis
Acatis-Fondsmanager Hendrik Leber, ©Acatis
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Die Politik macht es Anlegern schwer, meint Acatis-Fondsmanager Hendrik Leber. Warum das so ist, erklärt er im Interview mit Courage.

Courage-Lounge: Herr Leber, in Ihrem Investmentbericht im Januar 2023 haben Sie den Gedanken geäußert, dass ein Assetmanager andernorts „Prosperität für die Anleger schaffen“ müsse – wenn Deutschland schlecht regiert werde. Wird Deutschland denn tatsächlich so schlecht regiert?

Hendrik Leber: Ich will da gar nicht im Grundsatz richten. Mir gefällt die Art und Weise, wie die Amerikaner regieren, natürlich besser: Sie geben einen groben Rahmen vor, lassen machen und greifen nur ein, wenn etwas schiefgeht oder zu groß wird. Das entspricht ihrem Freiheitsverständnis, überfordert aber natürlich manche und führt dazu, dass hier und da jemand übervorteilt wird. Wenn man das vermeiden will, dann reguliert man bis ins kleinste Detail wie in Japan oder Deutschland. Aber wenn man diesen Weg geht, dann muss der Bürger auch erwarten können, dass es funktioniert. Und das sehe ich in Deutschland leider immer weniger.

Das müssen Sie uns genauer erklären!

Nun, ich war vor ein paar Wochen in Japan. Da geht es genauso preußisch streng zu wie in Deutschland. Aber die Züge fahren auf die Sekunde pünktlich ab und kommen auf die Sekunde pünktlich an. Darauf können sich die Menschen verlassen. Das ist mein Punkt: Wenn der Staat alles regeln will, dann muss er auch dafür sorgen, dass alles funktioniert. Es kann nicht sein, dass ich für eine Bahnfahrt von Frankfurt nach München eine Extrastunde einkalkulieren muss, weil selten ein Zug pünktlich ist. Man kann auch Singapur als Beispiel nehmen. Dort wird technokratisch regiert. Dort ist es zwar ärgerlich, wenn man für das Ausspucken eines Kaugummis auf den Boden eine hohe Strafe zahlen muss. Aber dort funktioniert es, und Neuerungen werden von der technokratischen Regierung klug umgesetzt.

Der Zugverkehr ist nun eine altbekannte Klage. Sehen Sie andere Beispiele?

Ja. Das Bruttosozialprodukt in Deutschland würde sofort deutlich steigen, wenn Ämter ihre Genehmigungen schneller erteilen würden und wenn funktionierende Kindertagesstätten es den Eltern ermöglichen würden, ihre Berufe vollzeitig auszuüben. Oder nehmen Sie die irrlichternden Vorschriften zur Eindämmung des CO2-Ausstoßes. Das regt mich richtig auf. Wir haben als EU der ganzen Welt eigentlich gezeigt, wie es richtig geht: Man legt eine Gesamtmenge an Emissionen fest und teilt Zertifikate zu, die gehandelt werden dürfen. Bei der Energieerzeugung und in der Industrie funktioniert das bereits hervorragend. Wenn man jetzt noch Verkehr und Heizung – wie das Europäische Parlament das Mitte April für 2027 beschlossen hat – in das System einbezieht, gibt es eigentlich nichts mehr zu tun. Jahr für Jahr wird die Gesamtmenge, die ausgestoßen werden darf – und damit die Zahl der Zertifikate – reduziert, und man hat das Reduktionsziel erreicht, ohne dass es einer einzigen Vorschrift bedarf. Wir könnten uns die mühsamen Debatten in der Ampel-Koalition und im Bundestag alle sparen. Ob die Güter mit der Bahn, mit dem Schiff oder mit dem Lkw transportiert werden, ob die Menschen mit Holz, Öl, Gas oder mit Wärmepumpen heizen, ob die Autos mit E-Fuels, mit Strom, mit Flüssiggas, mit Wasserstoff, mit supersparsamen Verbrennungsmotoren oder mit etwas anderem fahren, an das wir heute noch gar nicht denken.

All das wird von der unsichtbaren Hand des Marktes kosteneffizient geregelt. Warum ich im Konjunktiv spreche und so aufrege? Weil bei Verkehr und Gebäuden der Preis gedeckelt werden soll. Wieder ein Eingriff. Damit wird die Preislenkungsfunktion ausgeschaltet, und im Gegenzug fängt die Regierung wieder an, uns Vorschriften zu machen. Und alles wird teurer.

Aber das ist doch gut gemeint?

Vielleicht. Aber es ist nicht gut und kostet enorm viel Geld. Nur ein Beispiel: Wir drängen die Leute dazu, ihre Gebäude mit Wärmepumpen zu heizen, bezuschussen das vielleicht sogar noch. Es werden dann für das Beheizen der Häuser weniger Emissionsrechte gebraucht, und die verbilligen sich. Den polnischen Kraftwerksbetreiber, der Braunkohle verstromt, freut das natürlich. Er kauft die freigewordenen Verschmutzungsrechte für weniger Geld ein. Somit sinken seine Gestehungskosten durch die Intervention der deutschen Regierung. An der Gesamtmenge CO2, das in die Welt geblasen wird, hat sich durch die Wärmepumpenförderung nichts geändert, nur dass wir viel Geld für diese Technologie ausgegeben. Solche Beispiele gibt es zuhauf. Wir brauchen nichts anderes als einen funktionierenden Emissionshandel.

Also zurück zur guten alten Ordnungspolitik, die sich darauf beschränkt,  den Rahmen zu setzen?

Ja, genau. Innerhalb des Rahmens muss Technologieoffenheit herrschen. Es wäre schon sehr überraschend, wenn in einem Ministerium eine bessere beziehungsweise effizientere Lösung für ein Problem entwickelt würde, als der Wettbewerb vieler Unternehmen sie hervorbringen kann. 

Technologieoffenheit ist das eine, brauchen wir aber nicht auch mehr Technologiefreundlichkeit?

Die war noch nie eine deutsche Stärke. Wenn Tesla mit einem Elektroauto auf dem Markt erscheint, überlegen deutsche Ingenieure nicht, wie sie mit einem besseren Angebot Herrn Musk den Wind aus den Segeln nehmen können, sondern mäkeln am Spaltmaß herum. Oder schauen Sie sich die Gentechnologie beim Saatgut an, mit der wir den Hunger in der Welt besiegen könnten – die wir aber in Deutschland verboten haben. Und im Moment überrollt uns eine Welle von KI-Anwendungen. In Deutschland denken wir nicht über den Nutzen dieser neuen Technologie nach, sondern überlegen, wie wir ChatGPT, um die prominenteste zu nennen, regulieren sollen.

Kommen wir zum Anfang zurück. Wie schaffen Sie in einem solchen Umfeld „Prosperität für Anleger“?

Ich staune immer wieder, wie groß die Innovationskraft der Firmen ist, in denen wir investiert sind. Nehmen Sie zum Beispiel Schrödinger, ein amerikanisches Unternehmen, das Moleküle für die Arzneimittelforschung modelliert. Oder das Schweizer Unternehmen Basilea, das inzwischen marktfähige biopharmazeutische Antiinfektiva herstellt. Dort entsteht Prosperität für alle.

Aber wie finde ich die als Anleger?

Das ist ja mein Beruf. Man muss sich sehr viele Firmen anschauen. Und man muss viele aussichtsreiche Firmen kaufen, also streuen. Für Privatanleger ist das viel zu aufwendig. Trotzdem gehen auch bei mir nicht alle Investments so schön auf wie die genannten. Gerade da zeigen sich die Vorteile eines Fonds, weil wir breit diversifiziert sind. 

Wie ist denn der Lebenszyklus so eines Investments?

Nun, wir verfolgen einen langfristigen Ansatz. Wir steigen in Unternehmen, die uns aussichtsreich erscheinen, mit einer kleinen Position sehr früh ein – rückblickend betrachtet manchmal viel zu früh. Dann muss man mit sehr viel Geduld die Marktfähigkeit der Produkte abwarten. Das kann gut und gerne drei bis fünf Jahre in Anspruch nehmen. Wenn dann das operative Ergebnis ins Positive dreht, das Unternehmen sich sozusagen freigeschwommen hat, stocken wir auf. Häufig haben die Titel dann über mehrere Jahre, vielleicht sogar Jahrzehnte hinweg einen richtig guten Lauf. 

Und wann ist ein Flop wahrscheinlich?

Wenn das Freischwimmen nicht gelingt. Deshalb schauen wir darauf, wie sich die Zahl der Kunden entwickelt. Umsätze, die aus Forschungsaufträgen resultieren, sind zwar gut und schön, am Ende müssen Unternehmen aber am Markt mit ihren Produkten bestehen. Um in diesem Zusammenhang noch einmal auf den Anfang unseres Gespräch zurückzukommen: Mir blutet das Herz, wenn ich sehe, wie viele europäische Start-ups in die USA abwandern, weil ihre Produkte dort willkommener sind und sie das Gefühl haben, nicht kaputt reguliert zu werden.

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