BERLIN (dpa-AFX) -Nach der Wahl in den USA und dem Koalitionsbruch in Deutschland finden laut einer Umfrage 73 Prozent der Deutschen, dass Deutschland mehr in die europäische Sicherheit investieren sollte. Zugleich sprechen sich 58 Prozent gegen eine Führungsrolle Deutschlands aus, falls sich die USA international zurückziehen sollten, ergab die Erhebung im Auftrag der Körber-Stiftung. Auf die Frage nach der größten außenpolitischen Kompetenz nannten – nach dem Bruch der Ampel – 28 Prozent den Unionskanzlerkandidaten und CDU-Chef Friedrich Merz. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) kommt auf 18 Prozent, Kanzler Olaf Scholz (SPD) auf 15 Prozent.
Die jährliche repräsentative Umfrage “The Berlin Pulse” der Körber-Stiftung wurde im September vom Meinungsforschungsinstitut Verian durchgeführt und im Anschluss an die US-Präsidentschaftswahl und den Koalitionsbruch um eine Zusatzbefragung am 7. und 8. November ergänzt.
Bereits bei der Befragung im September traf der Vorschlag von Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD), die Verteidigungsausgaben auf 3 bis 3,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu erhöhen, bei 50 Prozent auf Zustimmung. 15 Prozent halten diesen Wert für zu niedrig. Zugleich spricht sich die Mehrheit (65 Prozent) gegen eine militärische Führungsrolle Deutschlands in Europa aus. (2023: 71 Prozent). Auch wenn es um ein stärkeres Engagement in internationalen Krisen insgesamt geht, sind die Deutschen gespalten: 46 Prozent waren im September dafür – der höchste Wert seit Umfragebeginn 2017 -, 44 Prozent lehnen das weiterhin ab.
Transatlantische Beziehungen vor Bewährungsprobe
Die sehr große Mehrheit erwartet, dass sich die zweite Präsidentschaft von Donald Trump negativ auf die Beziehungen zu den USA auswirkt: 79 Prozent sind laut der Befragung dieser Ansicht. Noch im September wurden die Beziehungen von 74 Prozent der Deutschen und 84 Prozent der Befragten in den USA als gut oder sehr gut bewertet. Jetzt stehen die Zeichen auf Diversifizierung: Die Deutschen wünschen sich, dass die Beziehungen zu europäischen Partnern im Vordergrund stehen (88 Prozent) und zu Ländern Asiens, Afrikas und Lateinamerikas ausgebaut werden (71 Prozent). Dennoch bleiben die USA auch nach der dortigen Wahl für 46 Prozent der wichtigste Partner.
Als die drei größten außenpolitischen Herausforderungen für Deutschland identifizierten die Befragten im September den Krieg in der Ukraine (45 Prozent – höchster Wert seit dem russischen Einmarsch 2022), die Migration (31) und den Krieg im Nahen Osten (17).
Solidarität mit Ukraine schwindet
Zweieinhalb Jahre nach Beginn der russischen Invasion in die Ukraine spricht sich weiter eine Mehrheit von 57 Prozent der Deutschen für eine militärische Unterstützung des angegriffenen Landes aus. Im Vergleich zum Vorjahr (66 Prozent) ist dieser Anteil aber gesunken. Besonders gering ist die Zustimmung in Ostdeutschland, wo nur 40 Prozent die anhaltende militärische Unterstützung befürworten.
47 Prozent der Befragten sind der Meinung, die Ukraine solle sich so lange verteidigen, bis alle von Russland besetzten Gebiete zurückerobert sind. 43 Prozent vertreten dagegen die Ansicht, die Ukraine solle Teile ihres Territoriums an Russland abtreten, um so zu versuchen, ein Ende des Krieges herbeizuführen.
Mehr Deutsche sehen in Russland militärische Bedrohung
Eine Mehrheit der Deutschen (82 Prozent) sieht in Russland eine militärische Bedrohung für Deutschland – der Wert ist im Vorjahresvergleich um sechs Punkte gestiegen. Die Hälfte der Deutschen (52 Prozent) glaubt, dass die Stationierung von US-Mittelstreckenraketen in Deutschland das Risiko eines Krieges mit Russland erhöht. Der Iran wird von 60 Prozent der Befragten als militärische Bedrohung wahrgenommen, China von 57 Prozent.
Klare Ablehnung der Militärhilfen für Israel
Eine deutliche Mehrheit (79 Prozent) spricht sich gegen eine militärische Unterstützung Israels im Krieg gegen die islamistische Hamas aus. Zugleich meinen 64 Prozent, dass Deutschland zwischen Israel und der Hamas als Vermittler auftreten sollte. 87 Prozent befürworten humanitäre Hilfe Deutschlands für die Menschen im Gazastreifen.
Misstrauen gegenüber China hält an
Der wachsende Einfluss Chinas wird von 61 Prozent der Befragten negativ bewertet. Mehr als die Hälfte der Deutschen (56 Prozent) sehen in China zudem eine große Bedrohung für die heimische Wirtschaft. Weitere 34 Prozent empfinden zumindest eine geringe Bedrohung. Sechs von zehn Deutschen (60 Prozent) sprechen sich für eine größere wirtschaftliche Unabhängigkeit von China aus – auch wenn dies wirtschaftliche Einbußen und den Verlust von Arbeitsplätzen in Deutschland zur Folge hätte.