Wirecard-Aktionär will Schadenersatz – Musterprozess beginnt

Im Strafprozess Angeklagter, im parallelen zivilrechtlichen Musterverfahren der Beklagte: Ex-Wirecard-Chef Markus Braun.
Im Strafprozess Angeklagter, im parallelen zivilrechtlichen Musterverfahren der Beklagte: Ex-Wirecard-Chef Markus Braun. Foto: Magdalena Henkel/dpa
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Die Wirecard-Pleite verwandelte die Aktien des Dax-Konzerns in wertlose Papiere, zehntausende Anleger verloren Geld. Ein Musterprozess soll die Aufarbeitung der Schadenersatzforderungen beschleunigen.

Viereinhalb Jahre nach der Wirecard-Pleite verhandelt das Bayerische Oberste Landesgericht an diesem Freitag stellvertretend für eine Lawine von Schadenersatzforderungen die Musterklage eines hessischen Aktionärs. Das Musterverfahren steht quasi stellvertretend für insgesamt 8.500 Klagen von Anlegern des Finanzdienstleisters. Zusammen fordern sie 750 Millionen Euro Wiedergutmachung für ihre Kursverluste. Wegen des erwarteten großen Andrangs hat der 1. Zivilsenat des höchsten bayerischen Gerichts die Verhandlung in die Wappenhalle des ehemaligen Flughafens München-Riem verlegt, die eigentlich als Veranstaltungsort für Konferenzen oder Partys dient.

Ex-Konzernchef Braun verarmt – Zielscheibe Wirtschaftsprüfer

An erster Stelle einer Liste von insgesamt elf Beklagten steht der frühere Wirecard-Vorstandschef Markus Braun, auf dem zweiten Platz die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY. Letztere ist die eigentliche Zielscheibe der Schadenersatzforderungen. Denn der einstige Milliardär Braun hatte den größten Teil seines Vermögens in Wirecard-Aktien angelegt. Dementsprechend erlitt Braun durch die Wirecard-Pleite selbst horrende Verluste. Braun hat von Beginn an sämtliche Vorwürfe bestritten, EY weist die Schadensersatzklagen als unbegründet zurück.

Anleger sehen sich durch falsche Informationen zum Kauf der Aktien verleitet

Geschädigte Anleger können dann auf Entschädigung hoffen, wenn sie wegen vorsätzlich falscher Informationen die jeweiligen Aktien kauften. Im Fall Wirecard waren es die mutmaßlich frei erfundenen Gewinne in den Bilanzen des Konzerns – mehrmals bestätigt durch die Abschlussprüfer von EY. Erst im Jahr 2020 verweigerten die Prüfer das Testat für die Wirecard-Bilanz des Vorjahres.

Münchner Zivilgerichte kämpfen mit Wirecard-Lawine

Das zivilrechtliche Musterverfahren läuft parallel, aber getrennt vom Wirecard-Strafprozess, in dem Braun seit knapp zwei Jahren als Hauptangeklagter unter Betrugsverdacht vor Gericht steht. Das Musterverfahren soll die rechtliche Aufarbeitung der Schadenersatzforderungen vereinfachen und beschleunigen. Denn solange das Musterverfahren andauert, sind die übrigen Klagen ausgesetzt. Sonst müssten alle 8.500 Klagen vom Landgericht München I separat verhandelt und entschieden werden.

Das Urteil im Musterprozess wird aber nicht automatisch die Entscheidung über alle 8.500 Klagen bedeuten, sondern wird als eine Art Blaupause für die übrigen Verfahren dienen. Abgesehen von den 8.500 Klägern haben noch 19.000 weitere Wirecard-Anleger Forderungen bei Gericht angemeldet.

Urteil frühestens in einigen Jahren

Das bedeutet jedoch nicht, dass das Musterverfahren eine kurze Angelegenheit werden wird. Das Oberste Landesgericht geht davon aus, dass wegen der Komplexität des Verfahrens eine mehrjährige Dauer unvermeidlich sein wird, wie ein Sprecher mitteilte. Musterklägeranwalt Peter Mattil ist vergleichsweise optimistisch und schätzt, dass ein Urteil in erster Instanz bereits in drei Jahren ergehen könnte.

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